Könnte die Buch-Bubble endlich ein Netzwerk bekommen, das für ihr Thema wie geschaffen ist? Fashion, Fitness und Food haben das längst: Instagram. Bücher haben es dort vergleichsweise schwer, denn immer nur Cover zu fotografieren oder Zitatschnipsel zu posten ist nicht das Wahre. Nun regt sich mit Clubhouse am Horizont ein neuer Player, der auf den ersten Blick voller Potential steckt. Büchermenschen schaut hin!
In den letzten Tagen war es schwer, online nicht über diesen Namen zu stolpern: Clubhouse. Jedes News-Outlet hat dazu mindestens einen Artikel geschrieben. Kein Wunder, schließlich ist es die Kommunikations-Bubble, die dieses neue Netzwerk zum neuen Liebling auserkoren hat. Spätestens der unglückliche Auftritt von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die App in die Nachrichten gebracht.
Clubhouse? Was ist das?
Kurz zusammengefasst für alle, die dennoch noch nie von der App gehört haben: Clubhouse ist ein Audio-Only-Netzwerk. Keine Fotos, keine, Videos kein Text – nur Gespräche. Nutzer können Räume eröffnen, um dort miteinander zu diskutieren oder einfach nur zuzuhören. Gamer kennen dieses Prinzip von Teamspeak, Discord & Co seit Jahrzehnten. Bisher ist die App nur für iOS verfügbar (Android ist in Planung), man benötigt die Einladung eines anderen Nutzers und noch ist die Nutzerschaft klein.
4 Gründe, warum Clubhouse für die Buch-Bubble so interessant ist
Ist dieses Netzwerk also genau was uns bisher noch gefehlt hat? Und warum sollten nun ausgerechnet sogenannte Büchermenschen hellhörig werden? Dafür gibt es mehr als nur einen Grund:
1. Keine rein visuellen 2-Sekunden-Inhalte
Ein jeder Instagram-Nutzer weiß, wie oft man an der Bushaltestelle gelangweilt durch den Feed scrollt. Wie vielen der Bilder widme ich wirklich mehr als 2 Sekunden meiner Zeit? Von den Texten darunter wollen wir gar nicht reden. Die Interaktionsraten auf Instagram sprechen für sich. Oberflächlichkeit ist King.
Wenn ich dagegen einem Clubhouse-Raum beitrete, bringe ich schon einmal grundsätzliches Interesse am Gesprächsthema oder den Menschen dort mit. Und wenn ich im Raum bleibe, dann scrolle ich auch nicht gedankenfrei im Feed nach unten. Im schlimmsten Fall lasse ich das Gespräch als Hintergrundgeräusch laufen. Für Inhalte, die Zeit brauchen, ist das wundervoll. Bücher zum Beispiel.
2. Interaktion!
Nutzer können die virtuelle Hand heben und sich nach Erlaubnis des Moderators zu Wort melden. Der eigene Beitrag geht so weniger leicht im Chat unter. Die Plattform ist für den Austausch geschaffen, nicht für rein passiven Konsum. Für Diskussionen oder Q&A-Sessions ist das perfekt.
3. Niemand muss sich filmen lassen
Sehen wir der Tatsache ins Auge: Gerade in der Buch-Bubble finden sich viele Introvertierte oder ganz einfach schüchterne Menschen. Und auch davon abgesehen hat nicht ein jeder das Bedürfnis, sich vor der Kamera zu präsentieren. Besonders dann nicht, wenn ich auf der Couch gammeln und einfach nur zuhören oder quatschen will.
Klar, ich kann auch auf Zoom&Co die Kamera auslassen. Doch allein das Videokonferenz-Image dieser Plattformen ist für manche Teilnehmer ein Grund für ein „Nein, Danke“. Wer rollt beim Wort „Zoom“ nicht genervt mit den Augen und denkt an endlose Konferenzen im Büro?
4. Es ist unkompliziert und spontan
Egal wo ich bin, egal was ich trage, ich kann mit dem Clubhouse-Prinzip ohne Aufwand zum Teilnehmer der Gesprächsrunden werden. Alles was ich brauche ist ein Smartphone mit der App drauf. Und das liegt sowieso immer griffbereit.
Auch Organisatoren bleibt einiger Aufwand erspart. Ich muss nicht dafür sorgen, dass Licht und Kamera perfekt sind, wie im Videostream. Damit bekommen auch „Amateure“ viele Hindernisse von sich genommen. Du willst mit ein paar Leuten über ein Buch quatschen? Raum eröffnen, fertig.
5. Audio entspricht dem Zeitgeist
Podcast-Boom. Schon mal gehört? Dann wird’s aber Zeit.
Das Problem? Im Moment ist die Reichweite minimal
Natürlich ist all das noch ein großer Konjunktiv. Clubhouse ist bis jetzt ein Nischenphänomen. Dass es die App nur für iOS gibt, sperrt 80% der Smartphone-User in Deutschland aus. Dazu kommt der alte Marketinggag mit der künstlichen Verknappung der Einnahmen.
Die Teilnehmer der Plattform bewegen sich bisher zum großen Teil in der Bubble der professionellen Marketeers, Kommunikatoren und Journalisten. Büchermenschen gelten gemeinhin als konservativ und als alles andere als Early Adopter. Doch eben weil es jene Meinungsmacher sind, die sich auf Clubhouse bewegen, wird das Thema mit großer Wahrscheinlichkeit noch einige Zeit auf der Bildfläche bleiben. Die Köpfe der PR-Profis rauchen bereits über der Frage, wie Unternehmen die Plattform nutzen können.
Dadurch, dass man nicht einfach durchscrollen kann, wird es kaum jemals die selben Zahlen wie auf Instagram, Facebook oder TikTok geben. Doch was ist mir lieber? Eine Million „views“ oder einhundert aufmersame Zuhörer?
Fazit: Das kann noch sehr sehr interessant werden
Der Fokus auf Inhalte, Gespräche und Austausch entspricht viel zu sehr den Bedürfnissen der Buchbranche, als dass sie wegschauen könnte. Wird Clubhouse tatsächlich zum nächsten BigPlayer, dann sollten Verlage und Autoren unbedingt dabei sein. Jetzt ist die Zeit für Experimente, hier ist die Chance, unter den ersten zu sein.
Das Netzwerk ist auf Austausch und aufmerksame Beschäftigung mit den Inhalten ausgerichtet. Trotzdem ist es bequem zu bedienen und kommt ohne große Hürden – genau das, was ihr braucht.
Eine Android-App ist angekündigt und die User werden sich an das neue Netzwerk gewöhnen, so wie sie sich bisher an so vieles gewöhnt haben. Wenn es nicht Clubhouse ist, dann vielleicht eine andere App mit dem selben Konzept. Denn das Prinzip an sich ist großartig. Und hat nicht auch das omnipräsente TikTok als seltsames Nischenphänomen angefangen?