Cormac McCarthy – Die Abendröte im Westen
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Die Abendröte im Westen wird von manchen Kritikern zu den besten englischsprachigen Romanen der letzten hundert Jahre gezählt. Der Stil von Cormac McCarthy wurde mir als speziell und eindrucksvoll beschrieben.
Diese beiden Dinge haben dazu geführt, dass ich Die Abendröte im Westen auf meine Liste mit 100 Büchern gesetzt habe. Zu Recht, wie sich nun gezeigt hat.

Ein namenloser Antiheld

Seht das Kind. Der Junge ist blass und mager, trägt ein dünnes, zerschlissenes Leinenhemd.

Cormac McCarthy – Die Abendröte im Westen

Es ist das Jahr 1850, als wir diesem Jungen, der auch im weiteren Verlauf des Romans keinen Namen tragen wird, auf seinem Zug durch Texas, Mexiko und andere Südstaaten folgen. Er ist 14 Jahre alt, mutterloser Halbwaise und hat von Geburt an einen Hang zur Gewalt. Dieser Junge läuft von zuhause weg und schließt sich nach kurzem einer Bande von Söldnern an, Exsoldaten und Abenteurern, allesamt ominöse Gestalten, die als Skalpjäger durch die Lande ziehen und Indianer jagen.

Die Bande zieht von A nach B, ohne ein wirkliches Ziel zu haben. Spontan folgen sie Gelegenheiten, die Profit versprechen. Wenn es darum geht, einen eigenen Vorteil zu erzielen, kennen sie weder Recht noch Moral, nur das Gesetz der Waffen. Leichen pflastern den Weg der Bande. Von Indianern, von Siedlern und immer auch die eigenen Leute.
Der große Gegner neben den Indianern ist die Gnadenlosigkeit der Wüste. Oft muss die Gruppe tagelang ohne Wasser oder Nahrung durch die Hitze ziehen, verwundet und verfolgt.

Mit gesenkten Köpfen saßen sie auf ihren Tieren, gesichtslos unter den Hüten, wie eine auf dem Marsch eingeschlafene Armee. Vormittags war ein weiterer Mann gestorben; sie holten ihn zwischen den mit Blut besudelten Säcken hervor, hoben ihn vom Wagen, begruben ihn ebenfalls und zogen weiter.

Cormac McCarthy – Die Abendröte im Westen

Nüchtern, düster und ungewöhnlich

Genau wie der Söldnerhaufen kein wirkliches Ziel hat, hat auch der Roman nicht den einen gewöhnlichen Spannungsbogen. Was Zusammenhang stiftet, ist der Blick auf das Schicksal des Jungen, der zwar Hauptfigur, aber dennoch ziemlich passiv und oft nur im Hintergrund ist.

Es ist als würde ein Kamerateam der Bande folgen und einfach nur aufzeichnen, was passiert. Dabei erschafft Cormac McCarthy eine düstere und gnadenlose Atmosphäre. Es gibt kein Bedauern und kein Mitleid, keine moralischen Wertungen. Der Erzähler zeigt mit neutralem und nüchternem Blick einfach nur das, was hier im südamerikanischen Grenzgebiet passiert, in dem Staat und Strukturen sich erst noch etablieren müssen. Das Gesetz lautet Fressen und Gefressen werden, so dass der Text ein Festival an Grausamkeiten ist.

Wer Cormac McCarthy noch nicht kennt, der sei auf eine Besonderheit in seiner Sprache hingewiesen: McCarthy verzichtet bei wörtlicher Rede konsequent auf Anführungszeichen. Das ist ungewohnt, stört beim Lesen aber nicht. Vielmehr hilft es, die Dialoge schnell, knapp und düster sein zu lassen, es fühlt sich an, als würde man direkt neben den Protagonisten stehen und ihnen beim Sprechen zusehen und zuhören.

Am Ende trifft einige Jahre später der Junge, der nun „Der Mann“ genannt wird, auf den anderen letzten Überlebenden der Truppe. Richter Holden, eine mysteriöse und beinahe übermenschliche Figur und Der Mann begegnen sich in einem Finale, das mich verwirrt zurückgelassen hat.

Mehrfach wurde versucht Die Abendröte im Westen zu verfilmen, geklappt hat es aber nicht. Durch seinen düsteren Ton und die übermäßige, offen dargestellte Gewalt ist der Roman fast unverfilmbar.

Wer sich von einem Übermaß an Gewalt und Grausamkeiten nicht abschrecken lässt, der findet in Die Abendröte im Westen einen Roman, der mit seiner ungewöhnlichen Sprache beeindruckt.

Er schläft nie, der Richter. Er tanzt und tanzt. Er sagt, er wird niemals sterben.

Cormac McCarthy – Die Abendröte im Westen

Der Autor: Cormac McCarthy

Cormac McCarthy (*1933) ist ein amerikanischer Autor. Er wurde mit mehreren bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Sein Roman Die Abendröte im Westen wird zu den einflussreichsten amerikanischen Romanen der letzten Jahrzehnte gezählt, dennoch wurde McCarthy erst spät einem breiten Publikum bekannt.

Kennzeichnend für ihn ist sein Stil. Er schreibt in einfachen, aber dringlichen Sätzen und verzichtet auf Anführungszeichen bei wörtlicher Rede. Dadurch ergibt sich immer eine besondere Atmosphäre. Häufige Elemente seiner Werke sind der wilde Westen, düstere Atmosphäre und Freiheit von Moral.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Kein Land für alte Männer
  • Grenzgänger

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Die Abendröte im Westen
  • Autor: Cormac McCarthy
  • Originaltitel: Blood Meridian or The Evening Redness in the West
  • Jahr: 1985
  • Verlag: rowohlt
  • Seiten: 443
  • Übersetzer: Hans Wolf
  • Gewicht: 425 g
  • ISBN: 9783499272400

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