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Über den Klopapier-Wahn der Deutschen wurde in der letzten Zeit schon mehr als genug gesagt. Galt früher noch Salz als das weiße Gold, sind wir in unseren Tagen also einen Schritt weiter. Vieles mehr wird ebenfalls gehamstert: Nudeln zum Beispiel, oder in Kanada auch Ahornsirup. Und – man mag es kaum glauben – auch Bücher sind in der Krise ungewohnt beliebt. Trotz geschlossener Läden sprechen wir im Moment ungewohnt viel über das Lesen. Ist Corona für das Buch und den Buchhandel auch eine Chance?
Für den Buchhandel ist die Lage gefährlich
Da Bücher eben doch nicht gleichbedeutend mit Lebensmitteln sind, wie von dem ein oder anderen Buchhändler argumentiert, müssen auch Buchläden für mehre Wochen schließen. Das ist nur konsequent und vernünftig, bringt viele aber in große Bedrängnis. Betroffen sind nicht nur die Kleinen, sondern auch die Großen, die hunderte Mitarbeiter und zig Vermieter bezahlen müssen.
Das Onlinegeschäft steigt zwar, kann aber trotzdem nur einen Bruchteil der Einnahmen ersetzen. Die Kette der Betroffenen geht weit über den Handel hinaus: Verlage machen weniger Umsatz und Autoren müssen auf Honorare für Lesungen verzichten. Noch dazu soll es Buchhandlungen geben, die bis ins Jahr 2020 das Thema Digitalisierung aus unerfindlichen Gründen so weit vernachlässigt haben, dass sie noch nicht einmal eine Website haben. Wie kommuniziert man nun mit seinen Kunden?
Auch in der Buchbranche sehen sich viele gewaltigen Problemen konfrontiert. Doch wenn wir davon ausgehen, dass es für diese Probleme Lösungen gibt: Bringt die Krise für das Buch auch eine Chance mit sich?
Wie das angestaubte Buch plötzlich Pluspunkte sammelt
Sehen wir der Tatsache ins Auge: Es gibt Medienformen, die für Journalisten im Normalfall attraktiver sind als Bücher. Serien, Filme, Musik, Games – über all das erscheinen für gewöhnlich deutlich mehr Berichte als über Literatur. Jetzt in der Krise ist das klassische Buch auf einmal so präsent wie lange nicht mehr. Wir sehen Artikel darüber, was und dass die Leute lesen.
„Wie an Weihnachten“ sei es an den Tagen vor der Schließung zugegangen, sagen Buchhändler. Nicht jeder hat das Bloggerproblem, dass im Regal mehrere Kilo ungelesener Bücher stehen, also haben sich viele noch einmal eingedeckt.
Der Graph der Suchanfragen bei Google beweist es: Das Interesse am Thema Buch ist aktuell so hoch wie sonst nur kurz vor Weihnachten.
Dazu kommt, dass die Berichterstattung fast nur positiv ist. Das gedruckte Wort wird uns gezeigt als idealer Ausweg aus der Langeweile in der Zeit der Isolation.
Dass diese Phase auch auf lange Sicht dazu führen wird, dass die breite Masse wieder öfter zum Buch greift, ist ein schöner Gedanke, aber dennoch uptoisch wenn wir realistisch bleiben. Trotzdem: Das „angestaube“ Medium Buch sammelt in dieser Phase Pluspunkte für sein Image.
In der überfälligen Veränderung liegt eine Chance
Darüber hinaus zwingt Corona die Buchbranche, die ja nun wirklich nicht für Innovationsfreude bekannt ist, zu sehr viel Kreativität. Auch hier wird jetzt an vielen Stellen die Digitalisierung erzwungen. Experimente mit Online-Beratung, Lesungen im Livestream und spontan organisierten Buchlieferungen per Fahrradkurier bringen frischen Wind und dazu die Dankbarkeit des Publikums.
Spannend wird, was davon langfristig übrig bleibt. Der große Shift von Serien zurück zu Büchern wird nicht kommen, aber Veränderung ist trotzdem unvermeidbar. Etablieren sich Livestream-Lesungen als neues Format? Können eBook ihren Marktanteil vielleicht doch über 10% steigern? Gewinnen Hörbuch-Downloads an Beliebtheit?
Zumindest die Furcht, dass alle Buchkäufer jetzt zu Amazon wechseln, scheint unbegründet. Dort haben andere Warengruppen Priorität. Ich bin mir sicher, dass der Buchhandel Corona überleben wird, so wie es für uns alle irgendwie weitergehen wird. Ich drücke jedem die Daumen. Dazu gibt es die Möglichkeit, daraus auch neuen Schwung mitzunehmen. Am Ende des Sturms schimmert ein Funken Licht.