Eric-Emmanuel Schmitt – Das Evangelium nach Pilatus
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Das Evangelium nach Pilatus – Der Titel macht jeden Klappentext zu Eric-Emmanuel Schmitts Roman überflüssig. In vier Worten bekommen wir serviert, worum sich die Geschichte dreht: Jüdische Magier hat Pilatus schon viele kommen und gehen gesehen. Doch diesmal ist es anders. Nicht nur dass dieser Magier mit Namen Jeschua vor einiger Zeit Pilatus‘ geliebter Frau geholfen hat, auch nach seinem Tod bleibt er ein Rätsel. Wo ist die Leiche hin? Pilatus muss eine rationale Erklärung finden, damit der Kult um den Magier ein Ende findet und in der römischen Provinz Judäa endlich wieder Ruhe einkehrt.

Der Inhalt: Ein jüdischer Magier gegen die Herrschaft der Römer

Der erste Teil des Romans ist aus der Perspektive Jesus‘ geschrieben: Wir erfahren, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Was hat den Sohn eines Schreiners zum verurteilten Verbrecher gemacht? Die eigentliche Ursache ist in erster Linie eine Reihe ungünstiger Umstände. Zu viele religiöse Fanatiker in Judäa haben zu viele Dinge auf ihre ganz eigene Weise interpretiert. Ganz besonders ein gewisser Judas. Nur so konnte Jesus zum landesweit bekannten Prediger werden. Nur deshalb landet er nun am Kreuz.

Ich hatte gerade meinen gestrigen Brief an Dich zusammengerollt, da stürzt der Zenturion Burrus herein und macht mir eine erschreckende Meldung: „Die Leichte ist weg!“
Ich habe sofort begriffen, daß er diesen Magier aus Nazareth meint, und ahne schon die Verwicklungen, die auf mich zukommen werden, wenn wir die Leiche nicht bald finden.

Eric-Emmanuel Schmitt – Das Evangelium nach Pilatus

Pilatus dagegen hat eine ganz andere Sicht auf diese Dinge. Eigentlich hasst er Judäa. Zu viele Verrückte. Rom wäre schöner, doch dieser Posten ist gut für seine Karriere. Jetzt hat er auch noch Ärger mit diesem seltsamen Prediger. Eigentlich wäre der ihm komplett egal, aber schließlich hat er Pilatus‘ geliebter Frau in einer Notlage geholfen. Doch alle Versuche zu Jesus‘ Rettung sind zwecklos, das Volk besteht auf eine Hinrichtung.

An sich wäre auch das noch in Ordnung, doch plötzlich gehen Gerüchte um, dass die Leiche wiederauferstanden wäre. Diese Behauptungen sind natürlich nichts anderes als ein direkter Angriff auf das Imperium Romanum! Steckt dieser vermaledeite Josef von Arimatäa dahinter? Oder gar Herodes? Pilatus beginnt zu ermitteln, denn eines ist klar: Es muss eine logische Erklärung geben.

Das Wunder ist mir egal, auch wenn ich heute einräumen würde, daß der Fall Jeschua nicht bloß ein Rätsel, sondern ein Mysterium ist.

Eric-Emmanuel Schmitt – Das Evangelium nach Pilatus

Meine Meinung: Ein kreativer Blickwinkel

Der große Spaß an diesem Buch ist, wie es mit den Perspektiven spielt. Wir kennen das neue Testament aus der christlichen Perspektive, doch wie sieht es aus der Sicht des Römers aus?

Plötzlich haben wir es nicht mehr mit dem Sohn Gottes zu tun, sondern vielmehr mit einer Kriminalgeschichte. Wenn Religion und Magie keine Option sind, bleiben nur noch Verbrechen und Komplott als mögliche Optionen.

Von daher hat mich Das Evangelium nach Pilatus bestens unterhalten und an vielen Stellen zum Schmunzeln oder auch zum Staunen gebracht. Pilatus als Ermittler und die Römer als die Rationalen und Guten – mir hat es gefallen. Es ist eine neue Sicht auf eine bekannte Geschichte und ich bin der Meinung, dass uns solche Experimente immer helfen, unseren Horizont zu erweitern.

Dieser Posten als Statthalter von Judäa ist wie ein Exil. bei meinem Kampf um die Anerkennung Roms beflügelt das Heimweh ebenso meine Kräfte wie die Pflicht. Ich sehen mich nach Rom. Ich wünsche mir, wieder dort zu leben.

Eric-Emmanuel Schmitt – Das Evangelium nach Pilatus

Im Übrigen fand ich wie schon bei Adolf H. Zwei Leben auch hier das Nachwort ungewöhnlich gelungen. Wir haben es nicht wie so oft mit dem pseudointellektuellen Geschwafel eines x-beliebigen Greises aus dem Literaturbetrieb zu tun, sondern mit dem Autor selbst, der von der Entstehungsgeschichte des Romans berichtet. Letztere ist in diesem Fall übrigens eine durchaus amüsante Episode – Keine Spoiler an dieser Stelle! Außerdem erklärt das Nachwort, weshalb die Figuren im Buch jüdische statt der gewohnten Namen tragen: Schmitt möchte Distanz zu den aufgeladenen Begriffen schaffen und Klischees vermeiden. Ein meiner Meinung nach kluger Schachzug.

Der Autor: Eric-Emmanuel Schmitt

Eric-Emmanuel Schmitt (© Georges Biard, Wikicommons)

Eric-Emmanuel Schmitt (*1960) ist ein französischer Autor. Er studierte Klavier und Philosophie. Zunächst wurde er mit Theaterstücken bekannt, später aber auch mit mehreren seiner Romane.

Schmitts Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt und mehrere Millionen Mal verkauft. Damit zählt er zu den erfolgreichsten Autoren der Gegenwart in Frankreich. Häufige Bestandteile seiner Werke sind zum Beispiel alternative-history-Szenarien oder Religion.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Oscar und die Dame in Rosa

  • Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Das Evangelium nach Pilatus
  • Autor: Eric-Emmanuel Schmitt
  • Originaltitel: L’Évangile selon Pilate
  • Jahr: 2000
  • Verlag: Ammann
  • Seiten: 298
  • Übersetzerin: Brigitte Grosse
  • Gewicht: 405 g
  • ISBN: 9783250600640

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