Ernest Hemingway – In einem anderen Land
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In einem anderen Land – Dem deutsche Titel nach könnte Ernest Hemingways Roman auch ein Reisebericht sein. Das englische A Farewell to Arms ist da schon aufschlussreicher: Wir haben es mit Krieg zu tun, genauer gesagt mit dem Ersten Weltkrieg. Uns Deutschen kommt bei diesem Thema sofort Remarque mit Im Westen nichts Neues in den Sinn. Und auch dieser Roman ist ein Anti-Kriegsroman, jedoch unter ganz anderen Vorzeichen. Statt Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit finden wir hier jede Menge Humor und Liebe. Kann das funktionieren? Oh ja!

Der Inhalt: Ein bisschen Weltkrieg, ein bisschen Liebe

Frederic Henry, ein junger Amerikaner, lernt in Italien die junge schottische Krankenschwester Catherine Barkley kennen. Die beiden treffen sich an der Front, denn wir haben den ersten Weltkrieg und Frederic ist als Sanitätsoffizier auf Seiten der Italiener. Lust auf diesen sinnlosen Krieg hat unter den Soldaten keiner mehr. Mit jeder Menge Galgenhumor, Essen, Alkohol und den wenigen Frauen an der Front macht die Truppe aus ihrer Zeit das beste.

„Es gibt nichts Schlimmeres als Krieg.“
„Eine Niederlage ist schlimmer.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Passini immer noch höflich. „Was bedeutet schon Niederlage? Man geht nach Hause.“
„Sie kommen dir nach. Nehmen dein Haus. Nehmen deine Schwestern.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Passini. „Das können sie nicht mit jedem machen. Soll jeder sein Haus verteidigen. Soll jeder seine Schwestern im Haus behalten.“

Ernest Hemingway – In einem anderen Land

Als es zur Offensive kommt, wird Frederic von einem österreichischen Minenwerfer erwischt. Schwer verwundet kommt er zuerst ins Feldlazarett und zu seinem Glück später nach Mailand ins Krankenhaus. Seine Glückssträhne ist noch nicht zu Ende, denn zum einen versorgt ihn der Portier dort regelmäßig mit Alkohol, aber vor allem wird auch Catherine nach Mailand verlegt.

Zwischen beiden entwickelt sich eine Lovestory, die schnulziger kaum sein könnte. Zwei verliebte Teenager könnten kaum weniger aneinander hängen. Wen wundert es, dass Catherine schließlich schwanger wird?

Nach seiner Operation bleiben Frederic und Catherine noch ein paar gemeinsame Monate. Irgendwann aber heißt es: „genesen, zurück an die Front!“ – was tun? Die Rückkehr an die Front überlebt Frederic wieder nur knapp. Genug ist genug, gemeinsam mit Catherine plant er die Flucht über den Lago Maggiore in die Schweiz. Desertieren ist kein Kavaliersdelikt, so viel ist klar. Kommen die beiden unbeschadet an ihr Ziel?

„Eine Seite muss aufhören. Warum hören nicht wir zu kämpfen auf? Wenn die nach Italien kommen, werden sie es schnell satthaben und wieder nach Hause gehen. Die haben ihr eigenes Land. Aber nein, stattdessen muss es Krieg geben.“
„Du bist ein Redner.“
„Wir denken. Wir lesen. Wir sind keine Bauern. Wir sind Handwerker. Aber selbst die Bauern sind nicht so dumm, an Krieg zu glauben. Alle hassen diesen krieg.“

Ernest Hemingway – In einem anderen Land

Mein Fazit: Man reiche Hemingway einen Nobelpreis

Was für ein Stil! Dass der Roman beinahe hundert Jahre alt ist, bemerkt man höchstens am Inhalt, auf keinen Fall aber an der Sprache. Auch wenn ich nur die deutsche Übersetzung gelesen habe, kenne ich wenige Autoren, durch deren Texte man derart fließt wie durch In einem anderen Land. Das Buch liest sich, als würde man einen lockeren Film anmachen: Das Lesen ist weder anstrengend, noch wird man mit der Zeit müde. Ganz im Gegenteil. Die Geschichte plätschert so genüsslich vor sich hin, dass man gleichzeitig entspannt und doch gefesselt ist. Auch wenn der Plot an sich zunächst seicht klingt, ist der Roman Unterhaltung auf hohem Niveau.

Besonders die Dialoge sind ein Genuss: Jeder Autor, der Dialoge auch nur halb so gut hinbekommt, hat viel erreicht. Wenn die Figuren miteinander sprechen, fühlt es sich an, als stünde man daneben. Auch wenn vier Protagonisten gleichzeitig aufeinander einreden, braucht es dabei keine ständigen „sagte xy“, „entgegnete yz“ oder „meinte xz“ nach jedem Sprecher. Man erkennt am Fluss des Dialogs, an den Argumenten und am Tonfall, wer gerade spricht. Das ist große Kunst.

Das Buch ist sprachlich dermaßen gut, dass ich Hemingway sogar Catherine verzeihen kann. Und sie war die Figur, die mich immer wieder mit den Augen rollen lies. Catherine und Frederic turteln ununterbrochen in einer Intensität, die sogar Frischverliebten peinlich sein dürfte. Oft ist das sogar derart übertrieben, dass die Interaktion der beiden etwas Komödiantisches bekommt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass Hemingway genau das gewollt hat. Er ist als Autor zu gut, um Catherine nur aus Versehen so darzustellen. Wer die Figur genauer untersucht, stößt hier sicher auf eine wahre Fundgrube.

Eine Sache muss ich zum Schluss noch erwähnen: Wer hätte gedacht, dass ein Roman, der inmitten von Weltkriegsfront und Verwundeten spielt, dermaßen positiv sein kann? Viele Szenen strotzen nur vor Humor und Spitzbübigkeit. Trotz Krieg erstarren die Figuren nicht in Verzweiflung, sondern haben noch immer Elan und versuchen das Leben zu genießen. Ein himmelweiter Unterschied zu Im Westen nichts Neues, über das ich vor ein paar Wochen geschrieben habe.

„Ich wusste nicht, was wir gegen die Österreicher hatten, aber es schien logisch, ihnen den Krieg zu erklären, wenn wir es schon mit den Deutschen getan hatten.“

Ernest Hemingway – In einem anderen Land

Der Autor: Ernest Hemingway

Ernest Hemingway – (c) public domain, Wikimedia Commons
Ernest Hemingway – (c) public domain, Wikimedia Commons

Ernest Hemingway (1899 – 1961) war ein amerikanischer Autor. Im Ersten Weltkrieg wurde er an der italienischen Front von einer Granate verwundet. Davor und danach arbeitete er als Reporter, wobei er viel über das Schreiben lernte, insbesondere die Kunst, an den richtigen Stellen zu kürzen.

Hemingway lebte viele Jahre in Kuba, zog später aber aufgrund von gesundheitlichen Problemen, insbesondere Depressionen zurück in die USA. Dort beging er 1961 Selbstmord. 1954 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Der alte Mann und das Meer
  • Fiesta
  • Wem die Stunde schlägt

Daten und Links zum Buch

  • Titel: In einem anderen Land
  • Autor: Ernest Hemingway
  • Originaltitel: A Farewell to Arms
  • Jahr: 1929
  • Verlag: Rowohlt
  • Seiten: 400
  • Übersetzer: Werner Schmitz
  • Gewicht: 508 g
  • ISBN: 9783498030193

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