Evelyn Waugh – Verfall und Untergang
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Von einem, der erst im Gefängnis seine Ruhe hat

Mit Verfall und Untergang hat Evelyn Waugh 1928 eine böse Satire geschaffen, in der vor allem die britische Oberschicht ihr Fett weg kriegt. Der Roman erzählt die Geschichte von Paul Pennyfeather, der so höflich ist, dass seine Mitmenschen ihn von einer unangenehmen Situation in die nächste stoßen können. Doch egal wo er landet und wem er begegnet, er übersteht alles – schließlich war er auf einer Privatschule!

Der Inhalt: Wenn das die Gesellschaft ist, drohen England Verfall und Untergang

Wie das Leben Paul Pennyfeathers verläuft, bestimmt seine Umgebung. Der Theologiestudent und Hauptfigur von Verfall und Untergang ist zu nett, um die Ellenbogen auszufahren. Dies wird uns Lesern gleich zu Beginn klar, als er ohne große Schuld wegen unsittlichen Betragens vom Scone College in Oxford fliegt. Da er nicht wirklich weiß, was er nun tun soll, wird er Lehrer – so wie beinahe jeder, der wegen unsittlichen Betragens vom College geworfen wird.

Sein neuer Arbeitsplatz ist eine obskure kleine Privatschule für wohlhabende Kinder der Oberschicht in Wales. Paul erfüllt keinerlei der Anforderungen für die Stelle – was aber niemanden groß stört. Er wird der fünften Klasse zugeteilt. Seine Kollegen – allesamt ebenfalls Gestalten mit schwarzem Fleck in ihrer Vergangenheit – raten ihm, einfach nur dafür zu sorgen, dass die Schüler ruhig sind. Dazu soll Paul dem jungen Beste-Chetwynde Orgelunterricht geben, auch wenn er das Instrument nie angefasst hat.

Gegen Ende des Schuljahres soll ein Sportfest stattfinden, zu dem viele der reichen Eltern erwartet werden. Die Schule besitzt weder Sportausrüstung, noch sind die Schüler besonders motiviert – doch am Ende geht es der High Society nicht um Sport, sondern um sehen und gesehen werden. Paul lernt auf diesem Fest Beste-Chetwyndes Mutter Margot kennen, die ihn für die Ferienzeit als Tutor engagiert.

„Ich sage jetzt: Auf die Plätze! Eins, zwei, drei!, dann schieße ich“, verkündete Mr. Prendergast. „Auf die Plätze, eins -“ Es gab einen fürchterlichen Knall. „Ach, du liebe Zeit! Entschuldigung!“ Aber das Rennen hatte schon begonnen. Offensichtlich würde der Sieger nicht Tangent heißen, denn der saß auf dem Rasen und heulte, weil Mr. Prendergasts Kugel ihn am Fuß getroffen hatte.

Evelyn Waugh – Verfall und Untergang

Gefängnis ist allemal besser als Privatschule und upper class

Pauls Zeit auf dem Landsitz der Millionärswitwe bietet allerlei Gelegenheit, die Dekadenz der Oberschicht ins Lächerliche zu ziehen. Völlig unerwartet verlieben sich beide ineinander und der Aushilfslehrer und Mrs. Beste-Chetwynde verloben sich.

Als Margot Paul kurz vor der Hochzeit nach Marseille schickt, um dort Geschäftliches zu regeln, wird Paul verhaftet. Der Wohlstand der Familie scheint auf unsauberen Geschäften zu beruhen. Er wird zu sieben Jahren Knast verurteilt. Margot heiratet in der Zwischenzeit aus Opportunismus einen Politiker.

Im Gefängnis findet Paul es gar nicht so übel, er fühlt sich regelrecht wohl. Gefängnis ist besser als Lehrer im Internat oder in der High Society zu sein meint er. Nur ein überambitionierter Gefängnisdirektor stört seine Idylle. Pauls Ruhe währt nicht lange, denn mit Verbindungen zur Oberschicht und zu Privatschulen lassen sich viele Dinge inoffiziell regeln.

Schafft es der höfliche Paul Pennyfeather, endlich nicht mehr Sandsack seiner Umgebung zu sein und ein ruhiges Leben zu finden?

Meine Meinung zu Verfall und Untergang

Mein Feedback zu Verfall und Untergang fällt ein wenig zwiegespalten aus. Der Plot des Romans zählt nicht zu denen, von welchen man in den Bann gezogen wird. Spannung ist aber wohl auch kaum das Hauptanliegen, im Zentrum steht die satirische Kritik. Es sind vor allem die absurden Wendungen und die Gags, die den Lesefluss aufrecht erhalten.

Und so lässt sich dem Schicksal Paul Pennyfeathers trotzdem sehr gut folgen. Die Handlung ist durch und durch amüsant, denn Paul stürzt von einer seltsamen Situation in die nächste. An jedem Ort, an dem er landet, trifft er auf skurrile Gestalten. Die Welt ist voller eigensinniger Exzentriker, die alle etwas bestimmtes parodieren.

Das alles macht Verfall und Untergang zu einem Buch, das kaum zu meinen all time favourites zählen wird, zu dem man aber guten Gewissens greifen kann, wenn man auf der Suche nach einer amüsanten, lockeren Lektüre ist.

Drei wichtige Motive der Geschichte

Dekadenz

Der Titel des Romans erinnert nicht von ungefähr an Geschichtswerke, die vom Verfall und Untergang großer Reiche wie z.B. Rom sprechen.

Die Gesellschaft, die Waugh zeichnet, ist durch und durch Korrupt und Dekadent. Treffen die Theorien zu, nach denen Dekadenz für den Fall Roms verantwortlich ist, sieht die Zukunft der Gesellschaft des Romans schwarz aus.

Privatschulen

Waugh zieht das Wesen der englischen Privatschulen durch den Kakao. Der Roman parodiert sie in jeder Hinsicht.

Die Schüler sind verzogen, reich und unmotiviert. Die Eltern sind eitel. Die Lehrer sind weder motiviert noch kompetent – sie haben ihren Job weil anderes Personal nicht zu finden ist. Bildung kann nicht erwartet werden. Doch einen großen Vorteil haben die Privatschulen: Wer auf einer war, hat Verbindungen, mit denen sich vieles regeln lässt.

Oberschicht

Neben Lehrern wird vor allem die Oberschicht zum Ziel des Spotts. Niemand kann den anderen wirklich leiden, doch es ist wichtig, gesehen zu werden. Geld spielt keine Rolle, man kann es sich leisten. Die Quelle des Geldes können dabei durchaus dubiose Aktivitäten sein.

Keine Figur illustriert all das besser als Margot Beste-Chetwynde. Sie ist egozentrisch, snobistisch, wankelmütig und opportunistisch. Es ist vor allem Paul, der darunter zu leiden hat.

„Name?“, fragte der Arzt.
„Pennyfeather.“
„Waren Sie jemals in einem Irrenhaus oder einer ähnlichen Einrichtung? Wenn ja, nennen Sie Einzelheiten.“
„Ich war im Scone College in Oxford“, antwortete Paul.

Evelyn Waugh – Verfall und Untergang

Der Autor: Evelyn Waugh

Evelyn Waugh (c) Archiv Diogenes Verlag

Evelyn Waugh (1903 – 1966) war ein englischer Autor. Nach dem Studium war er wenige Jahre Lehrer, was für ihn aber der falsche Job war. Sein erster Roman Verfall und Untergang von 1928 war ein großer Erfolg und bescherte ihm finanzielle Sicherheit. Im zweiten Weltkrieg arbeitete er als Journalist und Kriegsberichterstatter.

Waughs Romane wurden mehrfach unter die wichtigsten englischen Romane des 20. Jahrhunderts gewählt. Häufige Bestandteile seiner Werke sind britischer Humor, exzentrische Figuren und zynische Kritik einer dekadenten Gesellschaft.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Lust und Laster
  • Tod in Hollywood

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Verfall und Untergang
  • Autor: Evelyn Waugh
  • Originaltitel: Decline and Fall
  • Jahr: 1928
  • Verlag: Diogenes
  • Seiten: 300
  • Übersetzerin: Andrea Ott
  • Gewicht: 315 g
  • ISBN: 9783257068955

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