Robert Penn Warren – Das Spiel der Macht
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Was braucht es wirklich, um Karriere als Politiker zu machen? Wie besteht man im Spiel der Macht? Sind es Ideen und Konzepte, die man braucht, oder ist es vielmehr etwas ganz anderes? In der Welt des Gouverneurs Willie Stark ist es das öffentliche Image, das über Aufstieg und Fall entscheidet. Hier ein wenig Dreck auf der weißen Weste, da ein öffentlicher Skandal und schon sind Karrieren und Menschen zerstört. Was 1946 schon bekannt war, zählt noch immer. In unserem Twitter-Zeitalter scheint dieses Prinzip stärker und aktueller zu sein als je zuvor. Warum der Verlag das nicht nutzt, um diesen Roman zu jeder US-Wahl nochmal auszupacken? Keine Ahnung. Ich bin also auf eine echte Perle aus dem Archiv gestoßen.

Der Inhalt: Was in der Politik wirklich entscheidet

Wir befinden uns in den USA der 1930er Jahre, in einem der Südstaaten. Dort verfolgen wir die Karriere des Gouverneurs Willie Stark. Sie wird uns erzählt von Jack Burden, seines Zeichens studierter Historiker und Journalist, der zum engsten Kreis um Willie gehört.

Zu Beginn seiner Karriere ist Willie Stark noch Idealist. Weil er unfair behandelt und betrogen wird, kämpft er mit Leidenschaft für das, was er für richtig und gerecht hält. Doch bevor er es zum Volksheld und Gouverneur bringt, muss er einiges darüber lernen, wie Politik wirklich funktioniert. Nämlich nicht mit Logik, sondern über Emotionen.

Ich habe die Rede gehört. Zum Teufel, bringen Sie sie zum Heulen oder zum Lachen, lassen Sie sie denken, Sie seien ihr schwacher und verirrter Genosse oder lassen Sie sie denken, Sie seien Gott der Allmächtige. Oder machen Sie sie wütend, sogar gegen Sie selbst. Nur wühlen Sie sie auf, ganz gleich womit und wozu, und sie werden Sie lieben und gar nicht genug von Ihnen bekommen können. […] Aber um Himmels willen, versuchen Sie nicht, ihre Hirne zu belehren.

Robert Penn Warren – Das Spiel der Macht

Doch Macht verdirbt. Einmal an der Macht, will Willie Stark sie auch nicht mehr hergeben. Ganz im Gegenteil, er strebt nur nach noch mehr davon. Wer seine Stellung gefährden könnte, der wird ein Feind, der bekämpft werden muss. Ob die Mittel dabei fair oder moralisch sind, ist egal.

Um sich herum scharrt er einen treuen Kreis aus Helfern. Unser Erzähler gehört dazu, ebenso obskure Gestalten mit Namen wie Sugar-Boy und Tiny Duffy. Sie nennen Willie „der Boss“. Das klingt nicht zufällig nach Mafia.

Im Spiel der Macht zählt vor allem das öffentliche Image. Ein solider Skandal kann jede über Jahre aufgebaute Karriere in wenigen Tagen zunichte machen. Alles was man braucht, um die Gemüter zu erhitzen, ist ein wenig Schmutz aus dem Privatleben oder der Vergangenheit der Zielperson – wer könnte den besser ausgraben als ein Journalist und Historiker wie Jack?

Dabei ist es gar nicht wichtig, ob das öffentliche Bild der Realität entspricht, es muss einfach nur das stärkste Bild sein und das Bild, das die Leute nicht verdrängen. Willie selbst hat Affären, seine Frau besucht er nur ab und an auf dem Land, um ein paar schöne Bilder für die Presse zu machen. Solange jeder wegsieht, ist das alles kein Problem.

Die Hälfte der Leute im Staat wusste, dass der Boss jahrelang rungehurt hatte, aber die Familienbilder und die Hühner vermittelten den Wählern eine angenehme Wärme, das Gefühl von Solidarität und Tugendhaftigkeit, ließen sie an Pfefferkuchen und gute, kalte Buttermilch denken, und selbst wenn es irgendwo nicht zu weit weg in den Kulissen den Zipfel eines flatternden, schwarzen Spitzennegligés gab und den Hauch von Moschusparfüm, dann hieß es: „Das kann man ihm nicht übel nehmen, sie haben ihn ja geradezu dazu verleitet.“

Robert Penn Warren – Das Spiel der Macht

Doch nicht jeder ist so frei von Skrupeln wie Willie Stark. In der Vergangenheit anderer zu wühlen, um diese Menschen zu zerstören, ist ein dreckiges Geschäft. Was, wenn eines der Opfer zum Selbstmord greift? Irgendwann muss Jack sich die Frage stellen, ob das, was er tut richtig ist. Und warum sollte Willie Stark eigentlich von Schlägen des Schicksals verschont bleiben?

Verfilmung von 2006 – Der Trailer

Der Roman wurde unter anderem 2006 verfilmt. Zu diesem Anlass gab es die letzte deutsche Buchausgabe, die leider ein Filmcover trägt. Ich habe den Film mit gesehen, deshalb kann ich nicht sagen, ob er gut ist oder sich an das Buch hält. Hier aber trotzdem der Trailer:

Mein Fazit: Überragend! Und diese Sprache…

Wie kann es sein, dass dieser Roman nicht mehr in Druck ist? Das Spiel der Macht ist nicht nur beeindruckend, weil das Buch die Verbindung von Politik und öffentlichem Image zur Schau stellt, sondern auch wegen Robert Penn Warrens Sprachgewalt, vor der man in Ehrfurcht den Hut ziehen möchte.

Von Das Spiel der Macht abgesehen hatte er mehr Erfolg als Lyriker und sein Talent dafür dringt in vielen Passagen durch. Die Reden, die er Willie Stark bei dessen Aufstieg halten lässt, besitzen eine Macht, die es absolut glaubwürdig macht, dass das Volk auf diesen Politiker anspringt.

Beinahe noch stärker sind die Passagen, in denen Jack, unser Erzähler, die Einsamkeit sucht und reflektiert.

Denn der Westen ist das, wohin es uns alle eines Tages zieht. Dorthin geht man, wenn das Land aufhört zu gedeihen und der Wald alles überwuchert. Dorthin geht man, wenn man den Brief bekommt, in dem steht: Flieh, alles ist aufgeflogen. Dorthin geht man, wenn man niederschaut auf die blutige Klinge in der Hand. Dorthin geht man, wenn man gesagt bekommt, dass man eine Seifenblase auf der Flut der Geschichte sei. Dorthin geht man, wenn man hört, dass es in den Bergen Gold gibt.

Robert Penn Warren – Das Spiel der Macht

Oder auch etwas später:

Ich hatte die Wahrheit ausgegraben, und immer tötet die Wahrheit den Vater, den guten, schwachen oder den bösen, starken, und man bleibt allein zurück mit sich und der Wahrheit und kann Pa nicht danach fragen, der ohnehin nicht hätte antworten können, weil er tot ist, mausetot.

Robert Penn Warren – Das Spiel der Macht

Seht zu, dass ihr eine Ausgabe von diesem Buch in die Hand bekommt. Macht es vor allem dann, wenn ihr euch für die Politik oder die Medien interessiert. Auch wenn 800 Seiten immer ein paar Stunden brauchen, ihr stellt euch damit ein Meisterwerk ins Regal.

Der Autor: Robert Penn Warren

Robert Penn Warren (1968)
(gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons)
Robert Penn Warren (1968)
(gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons)

Robert Penn Warren (1905 – 1989) war ein amerikanischer Autor. Im Alter von 16 verlor er sein linkes Auge. Er studierte Literatur und begann danach an Colleges zu unterrichten. Penn Warren zählt zu den wichtigen Vertretern des New Criticism, einer literaturtheoretischen Richtung, die vereinfacht gesagt ein Werk losgelöst vom Autor und dessen Hintergründen betrachtet.

Neben Romanen schrieb er zahlreiche Gedichtbände. Penn Warren ist der einzige Autor, der den Pulitzer Preis sowohl für Lyrik als auch für Prosa gewinnen konnte. Das Spiel der Macht zählt in der amerikanischen Literatur zu den wichtigsten politischen Romanen des 20. Jahrhunderts und wurde mehrfach verfilmt.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Night Rider

  • Promises: Poems (1954-1956)
  • Now and Then: Poems /1976-1978)

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Das Spiel der Macht
  • Autor: Robert Penn Warren
  • Originaltitel: All the King’s Men
  • Jahr: 1946
  • Verlag: Heyne
  • Seiten: 799
  • Übersetzerin: Ilse Krämer
  • Gewicht: 563 g
  • ISBN: 9783453431256

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