Rudyard Kipling – Kim
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Rudyard Kipling ist für seine Beschreibungen Indiens zur Zeit der englischen Kolonialherrschaft bekannt. Schon im Dschungelbuch, seinem wohl bekanntesten Werk, hat er diese Welt beschrieben.
Kim ist ein weiterer Roman Kiplings, der in Indien spielt, anders als das Dschungelbuch erzählt Kim aber statt mehreren Einzelgeschichten eine durchgehende Geschichte.

Vom Waisenjungen Kim zum Meisterspion Kimball O’Hara

Die Geschichte von Kim spielt im 19. Jahrhundert. Kimball O’Hara, von allen nur Kim, oder auch Freund aller Welt, genannt, wächst als Waisenjunge in den Slums der indischen Stadt Lahore auf. Wie man an seinem Namen schon ablesen kann, ist er ursprünglich irischer Abstammung und gehört somit zu den britischen Kolonialherren. Sein Vater war Teil eines Regiments. Doch weil Kim auf den Straßen aufwächst und dort Leute und Bräuche kennenlernt, ist er sehr viel mehr Teil der einheimischen Kultur, als der Britischen.

Kim bringt die Gewitztheit und Gewandtheit mit, die es braucht, um als Waise zu überleben. Er weiß, wie er an genügend Almosen und Mahlzeiten kommt und besitzt eine gute Beobachtungsgabe. Ab und an übernimmt er kleine Dienste für den Pferdehändler Mahub Ali.

Eines Tages trifft Kim auf einen Lama aus Tibet, der auf der Suche nach einem bestimmten Fluss ist, in dem er sich von seinen Sünden reinwaschen will. Weil dem Lama die Erfahrung fehlt, um während seiner Pilgerreise auf der Straße zu überleben, schließt Kim sich ihm an. Er wird der Chela {Schüler} des heiligen Mannes.

Mahub Ali gibt Kim den Auftrag mit, unterwegs eine Nachricht zu überbringen. Was Kim nicht weiß: Es handelt sich um Geheimdienstinformationen. Hier zeigt sich zum ersten Mal Kims Talent für Aufträge dieser Art.

Als schließlich Kims Abstammung entdeckt wird, wird er auf eine englische Schule geschickt, wo er auf eine spätere Geheimdienstkarriere vorbereitet wird. Er hält während dieser Zeit immer Kontakt zu seinem Lama und geht nach Abschluss der Schulzeit wieder mit ihm auf Wanderschaft, denn er alte Mann sucht immer noch nach seinem Fluss.

Kim zieht also mit dem Priester durch den Norden Indiens, doch gleichzeitig übernimmt er Spionageaufgaben. Kim ist nun Teilnehmer des „Großen Spiels“. In der Bergwelt nahe des Himalaya sind russische Agenten unterwegs, die undercover Aufklärungsarbeit leisten sollen. Kim soll dabei helfen, diese Aktivitäten zu untersuchen und zu vereiteln.

Bunt wie eine Fantasy-Welt

Das Indien, das Kipling im Roman schildert, ist eine sehr bunte Welt. Mit ihren unzähligen Götter und Bräuchen, mit dem omnipräsenten Aberglauben und der dazu mittlerweile doch ordentlichen zeitlichen Distanz ist diese Kultur aus unserer Perspektive fremd.
Nimmt man noch die Suche des Lamas nach dem mythischen Fluss hinzu, so hat man beinahe das Gefühl, einen Fantasy-Roman zu lesen, der in einer eigenen Welt spielt.

Rudyard Kipling selbst wurde in Indien geboren und hat lange Zeit dort gelebt. Er weiß also, wovon er sprich und schafft es großartig, diese spezielle Atmosphäre zu transportieren. Auch die Sprache der Protagonisten ist entsprechend angepasst. Das Gemisch aus einheimischen Sprachen und Englisch findet sich im oft unterschiedlichen Sprachniveau der Figuren wieder. Dazu sind immer wieder Begriffe der einheimischen Sprachen eingebaut, wie das oben benutzte Chela {Schüler}, die glücklicherweise aber direkt in geschweiften Klammern (ganz so wie hier) erklärt werden.

Man kann vermutlich im Roman nach imperialistischen Tendenzen bei Kipling suchen, was an anderer Stelle auch getan wurde. Ich habe diesen Punkt aber ignoriert, da eine imperialistische Einstellung der britischen Kolonialhören einfach auch Teil der Atmosphäre dieser Zeit war, die den Roman am Ende mit ausmacht.
Dass Unterschiede zwischen Briten und Einheimischen sichtbar sind, wenn es um Aspekte wie Religion, Medizin, Wirtschaft oder Bildung geht, versteht sich von selbst. Es ist aber keineswegs so, als würde es eine eindeutige Zuschreibung von Attributen wie „überlegen“ und „unterlegen“ geben.

Eine Auswirkung, die Kim hatte, war es, den Begriff „Das Große Spiel“ populär zu machen. Das Große Spiel bezeichnet den Konflikt zwischen dem britischen Empire und Russland um die Vorherrschaft in Zentralasien zur Zeit des 19. Jahrhundert. Der Roman und seine Protagonisten sind Teilnehmer und Schauplatz dieses Spiels.

…und der Junge sitzt im Schneidersitz auf dem Bett vom Feldprediger und prophezeit allen Männern weit und breit nen blutigen Krieg. Indien ist’n wildes Land für nen gottesfürchtigen Mann.

Rudyard Kipling – Kim

Andreas Nohl hatte eine schwierige Übersetzung vor sich. Die Figuren im Text sprechen unterschiedliche Sprachen verschieden gut, was Kipling in die Ausdrucksweise eingeschrieben hat. Mal sind Charaktere eloquent, mal sind sie grammatikalisch etwas unbeholfen. Dass so etwas nicht ganz leicht zu übersetzen ist, versteht sich von selbst. In dieser deutschen Version (zugegeben die einzige, die ich kenne) scheint mir dies aber sehr gut gelungen, sie ist angenehm zu lesen.

Der Autor: Rudyard Kipling

Rudyard Kipling  (John Palmer, public domain, Wikimedia Commons)
Rudyard Kipling
(John Palmer, public domain, Wikimedia Commons)

Rudyard Kipling (1865 – 1936) war ein britischer Autor. Er wurde in Bombay geboren, mit fünf Jahren aber nach England gebracht. Mit 16 kehrte er nach Indien zurück, wo er als Journalist arbeitete und nach und nach ganz Indien bereiste. Ab 1889 lebte er jedoch wieder in England.

Um die Jahrhundertwende war er einer der populärsten englischen Schriftsteller. Bis heute ist er mit damals 41 Jahren der jüngste Träger des Nobelpreis für Literatur. Er ist vor allem als Autor von Kinder- und Jugendbüchern bekannt. Häufige Themen seiner Werke sind Indien oder der britische Imperialismus.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Der Mann, der König sein wollte
  • Über Bord

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Kim
  • Autor: Rudyard Kipling
  • Originaltitel: Kim
  • Jahr: 1901
  • Verlag: dtv
  • Seiten: 520
  • Übersetzer: Andreas Nohl
  • Gewicht: 433 g
  • ISBN: 9783423145756

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Kommentare

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  1. Kim hat sicher für seinen „Imperialismus“ sehr viel Prügel einstecken müssen, obwohl die „Botschaft“, so es eine gibt, eher antiimperialistisch ist. Als Teil der Atmosphäre würde ich den Imoerialismus dann aber doch nicht bezeichnen. Er ist ja für den größeren Kontext wirklich überall handlungsrelevant, er strukturiert das „Große Spiel“ & damit auch Kims Leben.

    • Nun, so in etwa war das auch gemeint. Dadurch, dass das Große Spiel so wichtig ist, gibt es ja erst diesen Kontrast von Einheimischen und Ausländern, den ich zur Atmosphäre des Romans hinzugezählt habe

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