Stephen King – Shining
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Wenn Stephen King schon seit Jahren als moderner Großmeister des Horrors gefeiert wird, sollte man wenigstens eines seiner Bücher gelesen haben, dachte ich mir. Shining sollte es sein, eines der bekannteren Werke und dazu eines, das nicht gleich über 1.000 Seiten hat. Gesagt, getan. Doch auf den Horror und die Anspannung, die ich mir erhofft habe, musste ich vergeblich warten. Es wäre falsch, würde ich sagen ich hätte mich beim Lesen gelangweilt, aber ein Gruseln war es sicher nicht, das im empfunden habe.

Der Inhalt: Ein abgeschiedener Winter in einem Hotel voller Geister

Jack Torrance will sein Leben wieder in den Griff bekommen. Der trockene Alkoholiker hat vor kurzem seinen Job als Lehrer verloren. Übergangsweise nimmt er über den nächsten Winter den Posten als Hausmeister im Overlook-Hotel an. Seinen Sohn Danny und seine Frau Wendy – sie überlegt seit längerem, sich scheiden zu lassen – nimmt er mit.

Damit haben wir bereits ein absolut klassisches Horror-Setting. Das Overlook ist weit abgelegen, im Winter steht es leer. Die Gegend ist komplett verschneit und weder Gäste noch Personal sind vor Ort – abgesehen vom Hausmeister und seine Familie, denn irgendjemand muss die Heizung am Laufen halten.

Natürlich hat ein solches Gebäude auch eine Vergangenheit voller Rätsel und Geschichten: Eine ganze Reihe an Besitzern, darunter düstere Geschäftsleute, turbulente Zeiten mit illustren Gästen und Zeiten des Leerstands. Morde gehören selbstverständlich auch dazu. Das volle Arsenal eben.

Erwähnen muss man auch die Besonderheit Dannys. Der Junge ist kein normaler Fünfjähriger, er hat einen Sinn für das Übernatürliche. Die gängigen Erklärungen wie Halluzinationen oder eine Krankheit wurden oft untersucht, doch ohne wirkliches Ergebnis. Im Overlook beginnt Danny immer mehr, die Geister der Vergangenheit zu sehen.

Bevor die anderen Angestellten über Winter abreisen, werden die Torrances gewarnt. Nicht ohne Grund war die Stelle als Hausmeister frei. Jack wäre nicht der erste, der über Winter den Verstand verliert und ins Unheil stürzt.

Exakt wie wir es angesichts eines solchen Settings erwarten dürfen, kommen all diese Fäden zusammen: Das Overlook mit seinen Mysterien, der Junge, der Geister sieht und Jack mit all den Problemen seiner Vergangenheit. Die Familie Torrance blickt einem Alptraum ins Auge.

Mein Fazit: Die Geschichte gibt mir nichts

Shining lässt sich gut weglesen, ohne je langweilig zu werden und doch hat mir das Buch dabei nicht wirklich etwas gegeben. Am Ende bleibt eine unbefriedigende Leere, denn was passiert ist, ist mir durch und durch seltsam egal geblieben.

Auch als die Geschichte nach gut 300 vergleichsweise langatmigen Seiten deutlich Fahrt aufgenommen hat, fiel mir ein wirkliches Mitfiebern schwer. Das Feeling war das eines jener mittelmäßigen Horrorfilme und dabei viel eher ein Scary Movie als etwas, das wirklich das Potential mitbringt, zu erschrecken.

Keiner der Protagonisten hat für mich als Anknüpfungspunkt getaugt. Alle Facetten der Eltern dienten nur dazu, dass die Geschichte funktionieren kann. Ihr ganzer Charakter besteht nur aus dem, was für gegenseitiges Misstrauen nötig ist. Und Danny? Ja, er soll nicht normal sein, er muss dieser spezielle Junge sein – aber genau dadurch funktioniert er für mich als Figur nicht. Er ist insgesamt zu absurd und weil er sich erwachsener verhält als die wirklichen Erwachsenen, fehlt ihm ein Mindestmaß an Menschlichkeit.

Bei den Ereignissen und Hintergründen ist mein Kritikpunkt ähnlich. Mir fehlt der Anker in der Realität, der mir diese Dinge nahe genug sein lässt. Aber so, wie die Dinge sind, war Shining für mich wie eine Fantasy-Welt, in der solche Ereignisse und Mysterien normal sind. Doch wenn diese Dinge ein normaler Teil der Welt sind, erzeugen sie kein Horrorgefühl, dann sind sie nicht spektakulärer als die Dementoren in Harry Potter.

Vielleicht werden mir „geübte“ Leser von Horror-Romanen widersprechen. Möglicherweise gehe ich mit falschen Erwartungen an das Genre heran. Es ist nicht das meine.

Der Autor: Stephen King

Stephen King
(© privat)

Stephen King (* 1947) ist ein amerikanischer Autor. Er zählt zu den bekanntesten und meistverkauftesten Schriftstellern der Gegenwart. Mit über 60 Romanen und zahlreichen kürzeren Texten ist er beneidenswert produktiv. Etliche davon wurden verfilmt. Manche seiner Werke sind unter dem Pseudonym Richard Bachman erschienen.

Sein kommerzieller Erfolg begann Anfang der 70er mit dem Roman Carrie. Viele seiner Werke in den Folgejahren sind unter Alkoholeinfluss entstanden. Vor allem bekannt ist er für seine Horrorromane, dazu verfasste er auch Bücher über das Schreiben. Immer wieder spielen seine Werke aufeinander an.

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

  • Es
  • Friedhof der Kuscheltiere
  • Carrie

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Shining
  • Autor: Stephen King
  • Originaltitel: The Shining
  • Jahr: 1995
  • Verlag: Lübbe
  • Seiten: 624
  • Übersetzer: Harro Christensen
  • Gewicht: 395 g
  • ISBN: 9783404130894

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Kommentare

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  1. King ist ein paradox. Seine Fans handeln ihn als König des Horror und großen Gesellschaftsschriftsteller a la Roth oder Updike. Für mich stellt es sich eher so da: Für gelungenen Horror fehlt es an jeder Überraschung, nie wird mit der Erwartung der LeserInnen gespielt, das Böse baut sich immer über mehrere kleine „Vorversuche“ erwartbar auf. Vor allem aber auch an Tempo. Selbst ein Werk mit nur 2 „Plotpoints“ wie „Friedhof der Kuscheltiere“ ist über 600 Seiten lang. Zum gelungenen Gesellschaftsroman aber fehlt jegliche Relevanz und Individuation der Figuren. Es treten immer die gleichen Flat Charakters auf, die sich kaum entwickeln. Die behandelten Themen (zB Umgang mit dem Tod in „Friedhof“ werden in endlosen Dialogen ausbuchstabiert, beinahe kindgerecht, ohne Ambiguitäten oder Leerstellen die man selbst füllen müsste).
    Ich glaube Kings Erfolg gründet sich genau darin. Er sammelt seine Fans während der Pubertät ein. Mit simplen Underdog- und Joe-Sixpack-Figuren, die gleichzeitig, wenn man zuvor nur „Jugendbücher“ gelesen hat, sehr erwachsene Abenteuer erleben: Lang, manchmal quälend lang, oft unterlegt mit einem einfachen christlichen Subtext (zB The Stand) und stellenweise brutal.
    Eigentlich sollte man meinen, King dürfte gar keinen Erfolg haben. Das soll ein „spannender“ Schriftsteller sein, aber wo andere Genre-Autoren ihr Handwerkszeug beherrschen und genau wissen, wie man eine Story mit Tempo abspult und mit der Ungewissheit der Leserschaft spielt, bringt King schon mal 300 (!) Seiten Exposition. Aber ich glaube, genau das macht seinen Appeal auf jugendliche Leser aus: Es wirkt ungeheuer erwachsen, dass ein Roman so langweilig ist. Das riecht halt irgendwie nach Kunst. Aber es ist zugleich auch sehr einfach. Thematisch schreibt King Kinderbücher für Erwachsene. Viele verlassen ihn irgendwann, andere bleiben treu. Was Kind verkauft ist das Gefühl, sich sagen zu können: „Ich habe ein Buch mit 1500 Seiten gelesen. Und es ging um voll deepe Themen“.

    • Vor allem der erste Absatz, den du hier schreibst, drückt mein Gefühl beim Lesen wunderbar aus. Irgendwie hat sich das alles flach und erwartbar angefühlt – wie in einem 08/15-Fernsehfilm eben. Wenn ich das mit dem Horla von Maupassant vergleiche… keine Chance für den guten Stephen.

      Wäre jetzt tatsächlich interessant, wie es gewesen wäre, hätte ich King vor 15 Jahren gelesen. Wir werden es nie erfahren.

      Aber ja, bei z.B. Dan Brown, der ja auch gerne und schnell kritisiert wird, hat für mich wenigstens rein handwerklich die Spannung funktioniert.

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