Walter Moers – Der Schrecksenmeister
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Walter Moers bringt die typisch zamonische Gattung des kulinarischen Märchens in unsere Welt. Der Schrecksenmeister ist eine Adaption der alten Novelle Spiegel, das Kätzchen von Gottfried Keller. Weil Moers eben Moers ist, bleibt es nicht bei einer bloßen Nacherzählung. Das Vorbild aus dem 19. Jahrhundert ist garniert mit einer Reihe zamonischer Besonderheiten und Absurditäten. In der kränksten Stadt Zamoniens treffen Alchemie und Hochkulinarik aufeinander. Schrecksenmeister Succubius Eißpin ist in beiden Künsten ein Meister. In seinem Kessel brodelt die Prima Zateria, in den Kochtöpfen hypnotische Mahlzeiten.

Info: Falls du dich fragst, in welcher Reihenfolge man die Zamonien-Romane lesen sollte, schau dir diesen Beitrag an.

Inhalt: Die Kratze, der Schrecksenmeister und ihr Teufelspakt

Sledwaya ist die kränkste Stadt Zamoniens. Alle Bewohner leiden an irgendetwas. Verantwortlich machen sie dafür den Schrecksenmeister, Succubius Eißpin, der in einem alten Schloss über Sledwaya wohnt. Eigentlich hat ein Schrecksenmeister lediglich den Job, die Schrecksen der Stadt zu beaufsichtigen. Eißpin jedoch hasst Schrecksen. Außer einer hat er alle aus der Stadt vertrieben, so dass er sich ganz seinen alchemistischen Experimenten widmen kann. Sein Ziel: Die Prima Zateria schaffen und den Tod besiegen.

Schrecksenmeister Succubius Eißpin (©Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)
©Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH (Quelle: www.zamonien.de)

In dieser Stadt nun streunt auch das Krätzchen Echo umher. Sein Frauchen ist vor kurzem gestorben und Echo ist kurz davor zu verhungern. Ausgerechnet Eißpin scheint nun seine letzte Hoffnung zu werden. Als er dem Schrecksenmeister in der Stadt begegnet, bietet ihm dieser an, ihn einen Monat lang mit allen denkbaren Köstlichkeiten zu bekochen. Der Haken an der Sache: Nach diesem Monat darf Eißpin Echo den Hals durchschneiden und ihm sein Fett auskochen, das Eißpin für seine Experimente braucht. Weil ein Monat mit voller Verpflegung besser ist als nicht, stimmt Echo zu.

Kratze und Schrecksenmeister schließen einen Pakt. Und Eißpin hat nicht übertrieben, denn er stellt sich als herausragender Koch heraus, der zusätzlich mit seinen Geschichten für beste Unterhaltung sorgt. Die Kratze erlebt die ganze Welt der kulinarischen Genüsse – von Desserts über Wein bis zu metamorphosen Mahlzeiten. Er lernt die anderen Bewohner des Schlosses kennen und die dunkle Vergangenheit es Schrecksenmeisters. Fast nebenbei trichtert Eißpin Echo sein gesamtes alchemistisches Wissen ein. Das Datum seines Todes rückt dabei fast unbemerkt immer näher.

Echo, das Krätzchen (©Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)
©Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH (Quelle: www.zamonien.de)

Doch schließlich wird es Zeit, sich über die Flucht Gedanken zu machen. Bloß lassen sich Verträge mit dem Schrecksenmeister nicht brechen, dafür hat er gesorgt. Echo legt seine Hoffnung in die letzte Schreckse von Sledaya, Izanuela Anazazi. Kann die Kräuterschreckse dem Meister der Alchemie die Stirn bieten? Echos letzter Tag und ein rasanter Showdown brechen heran.

Das Vorbild Gottfried Keller

Die Titelseite von Der Schrecksenmeister. Walter Moers inszeniert ein Spiel mit vier Autoren.

„Ein kulinarisches Märchen aus Zamonien von Gofid Letterkerl.
Neu erzählt von Hildegunst von Mythenmetz.
Aus dem Zamonischen übersetzt und illustriert von Walter Moers.“

Schon die Titelseite zeigt den Einfluss verschiedener Autoren. Moers baut ein verschachteltes Spiel auf. Wir haben es mit insgesamt vier Autoren zu tun.

Hildegunst von Mythenmetz erzählt Gofid Letterkerl neu. Gofid Letterkerl ist wiederum ein Anagramm für Gottfried Keller. Dann haben wir natürlich auch noch Moers, der angeblich nur Übersetzer, aber eigentlich ja der wahre Autor ist.

Was soll dieses Versteckspiel? Eine gute Frage. Wir finden hier vieles, das Walter Moers auszeichnet. Die Zamonien-Romane sind bekannt dafür, dass sie Klassiker der Literaturgeschichte zum Vorbild haben, die Moers dann auf seine eigene Art und Weise adaptiert. Ein Gemisch aus „Abkupfern“ und kreativer Eigenleistung.

Kellers Seldwyla wird das zamonische Sledwaya. Hexenmeister Pineiß wird Schrecksenmeister Eißpin. Das Kätzchen Spiegel wird das Krätzchen Echo. Auch die Handlung folgt in weiten Teilen dem realen Vorbild. So lange jedenfalls, bis sie irgendwann einen zamonischen Twist nimmt. Eine reine Nacherzählung ist sie aber auch davor nicht. Überall sind „typisch zamonische“ Späße und Abweichungen versteckt.

Walter Moers – oder ist es Mythenmetz – liebt seine Vorbilder. Im Nachwort zu spricht er dieses Thema an. Deshalb ist die Adaption der Geschichte auch kein billiger Versuch, an eine gute Story zu kommen, sondern ein Zeichen der Wertschätzung an einen Könner.

Die alte Geschichte Gottfried Kellers ist einem Großteil des modernen Lesepublikums nicht mehr bekannt oder nicht zugänglich. Sprache und Stil überholen sich im Lauf der Zeit. Die Neufassung verschafft dem alten Meisterwerk neue Aufmerksamkeit. Vor allem weil Moers sein Vorbild so deutlich anspricht. Warum also nicht?

Mein Fazit: Zu unrecht unbekannt

Bei meinem Re-Read von Der Schrecksenmeister war ich positiv überrascht. Ich habe den Eindruck, dass dieser Zamonien-Roman einer derjenigen ist, die oft etwas unter den Tisch fallen. Vielleicht deshalb, weil Mythenmetz weniger präsent ist oder es auch keine Buchlinge gibt.

In jedem Fall lohnt es sich aber trotzdem, dieses Buch zu lesen. Die Geschichte ist noch actionreicher und witziger, als ich sie in Erinnerung hatte. Moers hat im Text ein paar wundervolle Skurrilitäten versteckt. Ich sage nur knusprig gebratene Täubchen und Fische, die in Puppenkleider gekleidet, in Booten auf einem See aus Milch und Honig schippern. Das Schloss des Schrecksenmeisters Eißpin ist ein Ort voller Besonderheiten.

Die Handlung hat rasante Wendungen eingebaut. Nie ist sie wirklich langatmig. Wie immer sind Verweise auf unterschiedliche literarische Werke eingebaut. Für jeden offensichtlich dürfte die zamonische Version von Goethes Zauberlehrling sein und auch Schillers Die Glocke werden viele erkennen.

Heute muss die Suppe werden,
Frisch ihr Schrecksen! Seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muss der Schweiß!

Freiherr von Dillschic – Die Suppe

Der Autor: Walter Moers

Hildegunst von Mythenmetz (© Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)
Hildegunst von Mythenmetz (© Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)

Walter Moers (*1957) ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart. Er begann als Comic-Zeichner und ist der Erfinder von Käpt’n Blaubär. Walter Moers tritt seit Jahren nicht öffentlich auf und es gibt keine Bilder von ihm. Auch deshalb wird seine Figur Hildegunst von Mythenmetz mittlerweile oft als „Ersatz“ zu Marketingzwecken benutzt.

1999 veröffentlichte er den ersten Teil seiner Zamonien-Reihe. Seine Bücher sind durch ihre besondere Machart nicht eindeutig einem bestimmten Genre zuordenbar. Das Etikett „Fantasy“ passt nur zum Teil und wäre irreführend. Häufige Bestandteile seiner Werke sind Metafiktion, Intertextualität, Parodie und die Literatur bzw. der Literaturbetrieb.

Website: www.zamonien.de

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

Daten und Links zum Buch

  • Titel: Der Schrecksenmeister
  • Autor: Walter Moers
  • Jahr: 2007
  • Verlag: Knaus
  • Seiten: 384
  • Illustrator: Walter Moers
  • Gewicht: 855 g
  • ISBN: 9783328601654

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